Frühe Neuzeit
„Einführung und Durchsetzung der Reformation (1530er Jahre – 1600)“
Die ersten Impulse der 1517 von Martin Luther (1483–1546) in Wittenberg eingeleiteten Kirchenerneuerung trafen in Siebenbürgen bereits in den 1520er und 1530er Jahren auf ein dynamisches politisch-soziales und religiöses Umfeld. Buchdruck und Schulbildung – beeinflusst vom Humanismus und Reformeifer Philipp Melanchthons (1497–1560) – wurden wesentliche Akteure der Rezeption und Konsolidierung der erneuerten Glaubenslehre und der sie begleitenden Sozialphilosophie. Die deutsche Sprache wurde nun in Predigten, im Unterricht und in Schriften verwendet. Kirche und Schule wurden zu konstituierenden Elementen der sächsischen Identität. Erwähnenswert ist, dass die lutherische Reformation in Siebenbürgen nicht den radikalen Weg eingeschlagen und Aspekte der Kontinuität mittelalterlicher katholischer Überlieferungen bevorzugt hat.
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Erasmus von Rotterdam: Opera Divi Caecilii Cypriani Episcopi Carthaginensis, Druckerei Froben, 1521.
Der Übergang zum lutherischen Bekenntnis verlief in Mediasch recht reibungslos, was die weitgehende Autonomie der Stadt und ihre Führung begünstigt haben. 1545, zur Amtszeit des Plebans Bartholomäus Altenberger, hat man die [katholischen] Altäre und Bilder aus der Medwischer Kirche abgebrochen und weggeschafft und die Reformation eingeleitet. Im selben Jahr trat hier die erste lutherische Synode in Siebenbürgen zusammen. 1556 wurden die katholischen Mönche aus der Stadt vertrieben und 1572 wurde ebenda das „Augsburger Bekenntnis“ für alle Siebenbürger Sachsen angenommen. Der Mediascher Stadtpfarrer Christian Schesäus nahm 1580 an der Synode von Birthälm teil und hielt eine Rede über die Einführung und Durchsetzung der lutherischen Reformation unter den Siebenbürger Sachsen.
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Sermones de tempore, de sanctis, de communis sanctorum („Mediascher Predigtbuch”), ca.1535–1537, fol. 9. Diese Handschrift, die vereinfachte Predigttexte in lateinischer und deutscher Sprache enthält, ist ein wichtiges Zeugnis für die frühe Reformationsgeschichte Siebenbürgens.
Die Schola civitatis, die in den Quellen erst 1586 erwähnt wird, existierte gewiss schon viel früher. Die erste Gymnasialmatrikel aus dem Jahr 1604 fehlt heute im Archiv, diese höhere Schule wurde aber wohl bald nach der Einführung der Reformation gegründet. Vom hohen Stand des örtlichen Bildungswesens zeugt die zunehmende Zahl Mediascher Studenten an den protestantischen Universitäten des Auslandes (insbesondere Wittenberg, Leipzig und Heidelberg). Ihnen und progressiven Kaufleuten ist auch die hohe Zahl an Büchern zu verdanken, die zur Verbreitung von Humanismus und Reformation in Siebenbürgen beigetragen haben.
Auch bezüglich der frühneuzeitlichen Geschichte von Mediasch konzentriert sich die Ausstellung auf die schriftlichen Quellen, die in der Stadt erhalten geblieben sind und direkt oder indirekt über ihre wirtschaftliche, politische, kulturelle und religiöse Geschichte berichten. Sie zeigen, dass die Bürger der Stadt sowohl bei der Organisation ihres Gemeinwesens als auch im Handwerk, im Handel, in der Kultur und in der Kunst auf hohem Niveau agiert haben, indem sie sehr schnell die im Westen entwickelten Ideen und Methoden übernahmen und vom Transfer innovativer Ressourcen profitierten. In dieser Zeit wurde kaum noch auf Pergament geschrieben, so dass nun vor allem Urkunden, Register, Matrikeln und Bücher auf Papier zur Verfügung stehen.
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Das vom humanistischen Pfarrer und Gelehrten Antonius Verantius (Verancsics, † 1573) geschriebene Epitaph zum Tod von Adrian Wolphard († 1544), Kanoniker von Weißenburg und bischöflicher Vikar, der in Wien und Bologna ausgebildet worden war, und ein Vertreter des regionalen Humanismus und der frühen Reformation war.
Ein ansprechendes und interessantes Beispiel dafür ist die am 25. Februar 1583 von Stephan Báthory, Fürst von Siebenbürgen und König von Polen, ausgestellte Urkunde, die an den Bürgermeister von Mediasch Joachim Koch gerichtet ist (Abb. 1). Darauf wurden in Farbe die Arma Civitatis Megiies gezeichnet, ein bislang unbekanntes Stadtwappen. Es besteht aus einem Schild mit eingekerbten Seitenrändern, der oben mit einer heraldischen Krone versehen ist. Im Feld des Schildes befindet sich eine Hand, die die Wurzel eines Weinstocks und vier Weintrauben hält. Das Motiv, das eines der wichtigsten Anliegen der Stadt – den Anbau von Reben, die Weinproduktion und -vermarktung – hervorhebt, ist bis heute im Stadtwappen von Mediasch erhalten geblieben.
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Philipp Melanchthon: Omnium operum reverendi viri Philippi Melanthonis pars prima. Witebergae / Druckerei Crato, 1564.
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Martin Luther: Tomus Sextus Omnium Operum Reverendi Domini Martini Lutheri, Doctoris Theologiae, Witebergae / Druckerei Welack, 1580.
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Lyoner Bibel von 1536 mit einem handschriftlichen Vermerk über die Hochzeit von Griselda (†1590), der Tochter des siebenbürgischen Fürsten Christoph Báthory (1576-1581), im Jahr 1583 – ein Beweis für die Präsenz und intensive Nutzung dieses Buches in Siebenbürgen.
Obwohl die Zahl der Bücher erheblich zugenommen hatte, blieben sie wertvolle Objekte und wurden in persönlichen oder öffentlichen Bibliotheken sorgfältig aufbewahrt. Zu ihrem Schutz wurden sie oft kunstvoll und mit dem für das 16. Jahrhundert typischen ästhetischen Feingefühl gebunden. Die deutsche Buchbinderei entwickelte einen unverwechselbaren Stil, der Funktionalität mit aufwendiger Verzierung verband. Die Einbände bestanden häufig aus mit Leder überzogenen Holzbrettern. Das Leder wurde oft aufwendig bearbeitet. Es wurden Muster (florale oder geometrische Motive, manchmal auch Embleme mit Bezug zum Besitzer oder zum Inhalt des Buches) verwendet, die mit erhitzten Metallwerkzeugen in die Oberfläche eingeprägt wurden. Außerdem wurden Metallklammern verwendet, um die Buchkanten zu schützen und den Band fest zu verschließen, damit sich die Seiten nicht verziehen. Die Rücken dieser Bände wurden oft mit zusätzlichen Bändern verstärkt, die nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch stabil sind. Diese Einbände schützten nicht nur den Inhalt der Bücher, sondern dienten auch als Statussymbol, das den Reichtum und den Geschmack ihrer Besitzer widerspiegelte, aber auch einen Einblick in das reiche kulturelle und künstlerische Erbe der damaligen Zeit bietet.
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Bibliorum codex sacer et authenticus, Testamenti utriusque Veteris et Novi, Tiguri, Druckerei Froschouerus, 1564. Renaissance-Einband, 1573 in der Wittenberger Werkstatt von Severin Rötter (tätig zwischen 1572-1596) hergestellt, mit der Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit. Zwecks besserer Sichtbarkeit wurden die Bucheinbände für die Ausstellungsbesucher auf Papier abgepaust.
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Blumenmuster aus dem am 20 März 1493 erteilten Ablass für den Altar des heiligen Martin in der Mediascher Margarethenkirche.