Schriftlichkeit und Lesekultur der Vormoderne in Mediasch

Gedanken zum Abschluss des ersten Forschungsprojekts in der Pfarr- und Gymnasialbibliothek

Eines der ältesten Druckwerke aus Siebenbürgen, ein Buch des römischen Mimen-Autors im ersten Jahrhundert v. Chr. Publius Syrus. 1539 von Johannes Honterus in Kronstadt gedruckt. Das Wappen der Stadt prangt auf der Gegenseite des Vorsatzblattes in einem gefälligen Rahmen.

 

Zwischen dem 1. April 2022 und dem 31. Dezember 2023 haben die Kirchengemeinde Mediasch (KGM), die Heimatgemeinschaft Mediasch (HGM) und ein Team von Forschern aus Klausenburg und Hermannstadt unter der Leitung des bekannten Mediävisten Univ.-Doz. Dr. habil. Adinel Dincă von der Babeș-Bolyai Universität Klausenburg, unterstützt von Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch das Projekt „Schriftlichkeit und Lesekultur in Mediasch im 14.–16. Jahrhundert. Sicherung, virtuelle Rekonstruktion und wissenschaftliche Analyse einer siebenbürgischen Pfarr- und Gymnasialbibliothek“ durchgeführt. Über dieses Projekt, das sich einer großzügigen Förderung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) erfreut hat, wurde im Mediascher Infoblatt und auch in verschiedenen anderen Print- und Onlinemedien berichtet. Hier soll nun der Versuch eines Rückblicks unternommen werden: was wurde erreicht, was bedeuten die Projektergebnisse und was für Perspektiven eröffnen sie für die zukünftige Forschung. Nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse durch Hansotto Drotloff, der die Gesamtkoordination des Projekts übernommen hatte, sollen die wichtigsten Projektpartner jeweils selbst zu Wort kommen.

Hansotto Drotloff:

Das Projekt kam auf Anregung von Adinel Dincă zustande, der während eines früheren Forschungsaufenthalts auf die reichen Bestände an Druckwerken und Urkunden aus dem Mittelalter und der Vormoderne in der Bibliothek und im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Mediasch aufmerksam geworden war. Zu seinem Team gehörten die Klausenburger Studierenden Livia-Ioana Potop, Alexandru Frătean und Ştefania-Maria Ghişe, der Fotograf Vasile Mizgan sowie, in der abschließenden Phase des Projektes, der Archivar Teodor Dan Arhire aus Hermannstadt. Die drei studentischen Mitarbeiter nehmen am Master-Studiengang „Gesellschaft, Kunst und Identitäten in Zentraleuropa. Vom Mittelalter bis in die Moderne“ der Fakultät für Geschichte und Philosophie der Babeș-Bolyai Universität Klausenburg teil.

Für alle Beteiligten war das Projekt voller Überraschungen. In der alten Bibliothek im Pfarramt wurden mit 135 vor dem Jahre 1600 erschienenen Frühdrucken mehr als viermal so viele Bände identifiziert als bei der Beantragung des Projektes geschätzt; dazu kamen zahlreiche Urkunden und Fragmente von mittelalterlichen Codizes, die teilweise bei der Herstellung der Einbände späterer Druckwerke verwendet wurden. Eine repräsentative Auswahl kann in den Illustrationen zu diesem Beitrag betrachtet werden. Sie wurden aus ihrem bisherigen Lagerraum geborgen und vorsichtig gesäubert. Danach erfolgte eine Teildigitalisierung durch das Erstellen professioneller Fotografien (insgesamt 4800 Digitalisate). Bei dieser auf Grund der örtlichen Gegebenheiten beschwerlichen und anstrengenden Arbeit wurde das Forscherteam sehr tatkräftig von Angestellten der KGM und von Freiwilligen aus den Reihen der HGM unterstützt. Nach Abschluss der Digitalisierung wurden die wertvollen Kulturgüter in konservatorisch geeignetere Räumlichkeiten überführt, die von der Kirchengemeinde eigens dafür hergerichtet worden waren. Auf Grund der Daten, die das Klausenburger Team während dreier mehrtägiger Forschungsaufenthalte vor Ort erhoben hat, erfolgte die Tiefenerschließung des Materials und die Dokumentation der Ergebnisse in einer Datenbank. Damit hat das Projekt eine unerwartet große Zahl von Informationen generiert, die die Basis für viele weitere Forschungsvorhaben darstellt. Es wurde bereits von dem medialen Echo auf die ersten Informationen zu dem Projekt berichtet, das kurze Zeit fast bizarre Töne angenommen hatte. Über die Batthyaneum-Bibliothek in Karlsburg (Alba Iulia) erreichte die Nachricht jedoch schnell Wissenschaftler in der ganzen Welt. Nur kurz soll die die internationale Fachtagung erwähnt werden, die Mai 2023 in Mediasch stattfand und an der sich insgesamt 13 Fachleute aus 9 Ländern mit Referaten beteiligten. In unserem Abschlussbericht an die BKM haben wir dazu folgendes festgehalten: „Als vielleicht wichtigstes Fazit aus fachlicher Sicht ist wohl die einmütige Feststellung der Konferenz-Teilnehmenden zu werten, dass rund um die Mediascher Büchersammlung nun ein Netzwerk von Forschenden entsteht, die umfassend bei der weiteren Auswertung der Projektergebnisse zusammenarbeiten wollen.“

Die Auflistung dieser unmittelbaren Ergebnisse des Projektes mag hier etwas nüchtern daherkommen. Für uns als Gemeinschaft hat die Beschäftigung mit der Bibliothek einige weitere wichtige Facetten. Jenseits der konkreten Arbeit am Objekt „altes Buch“ richtet sich unser Blick auf einen bedeutenden Teil des geistigen Erbes unserer Mediascher Stadtgemeinschaft, dessen Anfänge weit in der Vergangenheit liegen, mindestens im 14. Jahrhundert, vermutlich sogar viel früher. Die heute in der Mediascher Kirchengemeinde verwahrte Bibliothek, zu der die im Projekt untersuchten frühen Druckwerke gehören, ist durch das Zusammenlegen der Bibliothek des Mediascher Gymnasiums und der Büchersammlungen des Mediascher und Schelker Kapitels der Evangelischen Kirche am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Ihre Entstehung und ihr Aufbau ist nur vorstellbar als Ergebnis kontinuierlicher und intensiver Verbindungen zwischen Siebenbürgen und den großen deutschsprachigen Zentren in Mitteleuropa – Deutschland, der Schweiz und Österreich. Der Bücherschatz beweist, dass man hier nicht „hinter den Wäldern“ gelebt hat, sondern immer recht zeitnah darüber informiert war, was in der übrigen Welt gedacht, geschrieben und gedruckt wurde. Die Bibliothek bildet gleichzeitig die Bemühungen der Pfarrer und Lehrer ab, eine qualitativ hochstehende Seelsorge und ebensolchen Unterricht anzubieten. Zwar ist in Mediasch erst 1585 eine höhere Schule, einem Gymnasium entsprechend, urkundlich bestätigt, es muss aber schon sehr viel früher ein Unterricht angeboten worden sein, der zum Besuch von Hochschulen befähigte. Bereits 1432 wird mit Martinus de Medgyes der erste Student aus der Kokelstadt an der Universität in Wien erwähnt. Von 1402 bis 1520 studierten 91 Mediascher an westeuropäischen Hochschulen. Sie alle werden während ihrer Schulzeit direkt, durch eigene Lektüre, und indirekt, über das Wissen der Lehrer, von der hiesigen Bibliothek profitiert haben. Und nach ihrer Rückkehr in die Heimat werden sie vermutlich dazu beigetragen haben, die Bibliothek weiter aufzubauen, durch Bücherspenden oder auch nur durch die Kunde von neu erschienenen Veröffentlichungen.

Im Gespräch mit den Klausenburger Forschern kristallisierte sich schnell heraus, dass es eine nicht nur lohnende, sondern fast unabdingbar notwendige Aufgabe sein würde, die Entwicklung dieser Bibliothek über den gesamten Zeitraum ihrer Existenz zu untersuchen. So bildete sich rasch ein Team der HGM, das im Kern aus Gertrud Servatius-Hager, Johannes Hager und Hansotto Drotloff besteht und das sich eine digitale Rekonstruktion der Bibliothek auf Grund alter Kataloge zum Ziel gesetzt hat. Auch über die Arbeit dieses Teams wurde bereits berichtet. Die Zahl der Bücher, die die sächsische Gemeinschaft in den öffentlichen Bibliotheken in Mediasch und den beiden Kirchenbezirken Mediasch und Schelk angehäuft hat, übersteigt die Zahl 12.000. Auch wenn viele davon nicht mehr vorhanden sind – anhand der seit Mitte des 19. und bis zum Ende des 20. Jahrhunderts angelegten Kataloge, die nun zusammengeführt werden, wird man eine Vorstellung davon bekommen können, wann und wie welches Wissen aus dem Westen in das „Land hinter den Wäldern“ gelangt ist.

Doch auch zu den ältesten schriftlichen Zeugnissen ist noch nicht das letzte Wort gesagt. Wegen der unerwartet großen Zahl von Objekten aus dem früheren Besitz der Kirchengemeinde, die heute nicht mehr in Mediasch aufbewahrt werden, müssen Archivalien und Druckwerke eruiert und in die Katalogisierung einbezogen werden, die sich andernorts befinden. Wir bemühen uns daher bei der Bundesregierung um die Finanzierung eines Folgeprojektes.

An dieser Stelle möchte ich im Namen des Vorstands der HG Mediasch allen, die zum Gelingen dieses Projektes beigetragen haben, einen herzlichen Dank aussprechen.

Pfarrer Wolfgang Arvay:

 Gottlob, die Bibliothek wird benützt! Vor zwei Jahren rannte uns eine Reporterin die Türe ein mit ihrem Wunsch, den Bücherschatz selber heben zu wollen, von dem in mehrere Publikationen berichtet worden war. Wir waren zu dem Zeitpunkt froh über das Interesse an den Büchern, aber auch vorsichtig mit der Bezeichnung – Bücher-Schatz. Da wir keine öffentliche Bibliothek sind, keinen Bibliothekar beschäftigen können, waren wir auch vorsichtig, um nicht weiter Stroh aufs Feuer zu legen. Wir wollten aber auch nicht verwechselt werden mit dem Mönch im Roman ‘Im Namen der Rose‘, welcher etliche Bücher gerne vor dem Blick der Öffentlichkeit fernhalten wollte.

Inzwischen ist der erste Teil des Projektes mit der HG Mediasch erfolgreich abgeschlossen. Schöne Begegnungen kamen in den letzten Jahren zustande. Prof. Adinel Dincă mit seinen Studenten sind jedes Mal gerne angereist und werden sicherlich noch öfters kommen. Das international besetzte Symposion im Mai 2023 war eine große Überraschung, da auf diese Weise die Fachwelt auf die Stadt an der Kokel aufmerksam wurde. Auch werden der Mediascher Öffentlichkeit sicherlich noch weitere Erkenntnisse bekannt gegeben. Dass die Geschichte der Bibliothek weiter erforscht wird und die Kataloge durchgesehen werden, freut mich, und das ist der Arbeitsgruppe gebildet von Gertrud Servatius-Hager, Johannes Hager und Hansotto Drotloff zu danken, welche immer wieder weitere Volontäre begeistern (u. a. Ulrike Conrad von Heydendorff-Wolfrum und ihren Mann Peter). Ein guter Effekt ist auch, dass der Turm gesäubert werden konnte, Staub gesaugt wurde und einzelne Bücher nun nicht mehr verschmutzt sind, sondern etwas gesünder gelagert werden.

So wünsche ich den Beteiligten viel Kraft, um weiter zu machen und somit auch weitere sichtbare Resultate zu schaffen. Vielleicht gelingt es auch, einige der wertvollen alten Bücher zu restaurieren, auch auszustellen oder weitere Schätze der Bibliothek zu heben.

Adinel Dinca:

Nach fast 25 Jahren Berufserfahrung, die grenzüberschreitende Forschungstätigkeit mit didaktischem Engagement vereint, kann ich ohne Vorbehalt das „Mediascher Projekt“ als das komplexeste und lohnendste betrachten. Es brachte mir und allen Beteiligten so viel Fachwissen und Sachverstand, wie es kein akademisches Buch oder Universitätskurs bieten kann.

Ein Forscher – egal ob Historiker oder nicht – ist von Natur aus ein optimistischer Mensch, der unermüdlich hofft, neue Dinge zu entdecken und zu lernen. Doch alle hoffnungsvollen Erwartungen, die im Jahr 2021 (als Dr. Konrad Gündisch und Hansotto Drotloff die Idee einer Erforschung der “Turmbibliothek” uneingeschränkt und in aller Freundschaft annahmen) an die geplanten Ergebnisse gestellt wurden, wurden weit übertroffen. Nicht nur in Bezug auf quantifizierbare Zahlen von Büchern oder Urkunden, sondern auch in Bezug auf akademische Errungenschaften und Lebenserfahrungen.

Vielleicht war der beeindruckendste Aspekt der oben genannten Untersuchung für mich genau das Umfeld, in dem solche Zeugnisse kulturellen Erbes bewahrt und weitergegeben wurden, in der Obhut und in der unmittelbaren Nähe der Gemeinschaft, die über Jahrhunderte und Generationen ihre historischen Aussagen geschaffen hat. Es ist bekannt, dass solche Gelegenheiten, bei denen Archive und Bibliotheken noch am Ort ihrer ursprünglichen Entstehung existieren, weltweit äußerst selten sind. Deswegen ist es ein Privileg, Bücher und Urkunden, die Hunderte von Jahren alt sind, buchstäblich in demselben räumlichen Umfeld lesen zu dürfen, in dem sie ursprünglich gesammelt wurden. All dies vermittelt ein unvorstellbares Erleben von Geschichtlichkeit, von „gelebter Vergangenheit“, das einem selbst das Gefühl gibt, Teil einer faszinierenden Überleitung über die Zeiten zu sein.

Darüber hinaus boten mir die Bibliothek und das Archiv in Mediasch als Lehrer ein einzigartiges und ideales Labor, um unzählige Kontexte zu veranschaulichen, wie die schriftliche Kommunikation auf Gemeinschaftsebene vor fünf Jahrhunderten tatsächlich gewirkt hat. Diese „praktischen“ Gespräche mit den drei Studierenden wogen viel mehr als jeder Klassenzimmer-Austausch, den ich je erlebt habe.

Letztendlich, jenseits von allem anderen, hat mich all das Wissen, das ich in den letzten zwei Jahren gesammelt habe – die hoffentlich nur der Beginn einer langanhaltenden Zusammenarbeit mit einer wunderbaren Gruppe von Menschen sein wird, die in Mediasch leben und schaffen – dazu gebracht, mehr über unsere heutige Verantwortung nachzudenken, um das kulturelle Gedächtnis zu schätzen und sicherzustellen, damit es eine Zukunft für die Vergangenheit der Siebenbürger Sachsen gibt.

Konrad Gündisch:

Es war in der Tat ein Projekt voller angenehmer Überraschungen! Aufgrund älterer, veröffentlichter Kataloge, schätzten wir bei der Antragstellung, dass sich in den beiden ehemaligen Bibliotheken, die jahrzehntelang versteckt werden mussten, noch unter 40 alte Drucke befinden könnten. Da die Gymnasialbibliothek 1945 auf Befehl kommunistischer Funktionäre verwüstet wurde, befürchteten wir, dass noch weniger erhalten geblieben sind. Das Gegenteil trat ein: 135 Drucke, dazu viele Fragmente älterer Codizes, wurden aufgefunden!

Es folgte das überwältigende Echo in den deutschsprachigen, rumänischen und internationalen Print- und Online-Medien, das auch die Spezialisten in der ganzen Welt aufhorchen ließ. Diese kamen dann zu einer international hoch besetzten Fachtagung in Mediasch zusammen und eröffneten neue Wege der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Die Sicherung, digitale Erfassung und wissenschaftliche Auswertung der Fundstücke erfolgten zeitgerecht, obwohl eine viel größere Zahl an Frühdrucken bearbeitet werden musste, als geplant. Eine äußerst erfreuliche Überraschung war es, dass Nachwuchswissenschaftler für die Erforschung der Mediascher Geschichte gewonnen und begeistert werden konnten. Die größte Überraschung aber war die geradezu enthusiastische, reibungslose und zielorientierte Zusammenarbeit aller Beteiligten, der Fachleute und ihrer Mitarbeitenden, der Freiwilligen aus der Kirchengemeinde und der Heimatgemeinschaft, der interessierten Öffentlichkeit von nah und fern. Eigentlich Selbstverständlichkeiten, doch wie oft erlebt man es, dass persönliche Eitelkeiten, fachfremde Einmischungen, Ausbremsungen und andere Faktoren eine produktive Zusammenarbeit erschweren! In diesem Fall war das alles anders, alle packten an, halfen sich gegenseitig, nahmen einander ernst und waren den Mithelfenden dankbar.

All das macht Mut, das Projekt „Schriftlichkeit und Lesekultur“ weiterzuführen und nährt die Hoffnung, weiterhin von der öffentlichen Hand gefördert zu werden, damit Kultur und Geschichte der Siebenbürger Sachsen vertieft dokumentiert, der rumänischen Öffentlichkeit wie der internationalen Fachwelt noch besser bekannt gemacht werden können. Persönlich habe ich neue Freunde gefunden, Mediasch und seine Bewohner besser kennen- und mache(s) lieben gelernt.

 

Frătean Alexandru:

Das Forschungsprojekt bei der evangelischen Kirchengemeinde Mediasch beeinflusste meine Entwicklung und Ausbildung in diesem Spezialgebiet – alte Drucke und Urkunden – nachhaltig. Ich glaube, dass sich die Wirkung dieses Projekts auf mich persönlich am besten aus zwei Perspektiven beschreiben lässt.

Offensichtlich ist die erste Dimension die berufliche, akademische, denn dank dieser glücklichen Umstände bekam ich eine Gelegenheit, die sich nur wenigen Studenten während ihrer Ausbildung anbietet, nämlich in direkten Kontakt mit den Primärquellen zu kommen. Das, was ich bisher nur aus Bildern und elektronischen Darstellungen kannte, materialisierte sich für mich in Mediasch an einem warmen Junitag auf der obersten Ebene des Seilerturms. Nach diesem ersten direkten Kontakt des Studenten mit den Primärquellen nahm die gesamte Arbeit die Form eines praktischen Seminars statt, bei dem ich dank Professor Adinel C. Dincă kontinuierlich neue Kenntnisse, Arbeitsmethoden und Herangehensweisen an das Material erwerben konnte. Ich übertreibe sicherlich nicht, wenn ich sage, dass ich auf dem Pfarrhof in Mediasch das erste „Labor“ hatte, in dem die Vergangenheit in ihrer authentischsten Form studiert werden konnte. Nicht zuletzt haben die Erfahrungen aus diesem Projekt mich maßgeblich bei der Auswahl der Themen für die Bachelor- und Dissertationsarbeit beeinflusst, die sich mit der Geschichte der Stadt und des Stuhls Mediasch im Mittelalter befassen.

Eine zweite Dimension, die meine Erfahrungen innerhalb dieses Projekts betrifft, ist die kulturelle. Anfang Juni 2022 kam ich zum ersten Mal in Mediasch an. Die Geschichte der Stadt, die wunderbaren Fresken in der Margarethenkirche, die wertvollen Flügelaltäre und die mittelalterlichen Türme des Kastells hatte ich dank elektronischer Mittel bereits bruchstückhaft kennengelernt, aber erst als ich in der Stadt angekommen war mittendrin an unserer Forschungsarbeit teilnahm, gelang es mir, den „spiritus loci“, den Geist des Ortes wirklich zu erspüren.

Die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen, die Zeugnisse der Vergangenheit, die man bei jedem Schritt durch das „Kastell“ rund um die Kirche erspürt, die Möglichkeit, mit Inkunabeln, Büchern und Dokumenten umzugehen, die die Gemeinschaft seit Hunderten von Jahren nutzt, haben mich unwiderruflich mit diesem Landstrich verbunden und ich werde jedes Mal glücklich zu sein, wenn ich dorthin zurückkommen kann.

Potop Livia-Ioana:

Meine Teilnahme als Masterstudentin an dem Projekt bei der evangelischen Kirchengemeinde Mediasch bot Gelegenheit zum praktischen Lernen und Üben der Feldforschung.

Mich ganz persönlich hat dieses Projekt in dem Entschluss bestärkt, künftig im Bereich der Forschung aktiv zu sein, im Team zu arbeiten und direkten Kontakt zu den Quellen zu haben. Bis zum Zeitpunkt der Arbeit in Mediasch wusste ich nur theoretisch, was die Arbeit an der Quelle bedeutet – die alten Büchern und ihr Umfeld, die Gemeinde der Margarethenkirche. Hier hatte ich nun Gelegenheit, mehrere hundert Jahre alte Bücher in der Hand zu halten, von denen ich bisher nur gehört hatte.

Die Erfahrung fühlte sich wie ein praktisches Seminar an. In jeder Phase wurden wir ermutigt, Fragen zu stellen, nachzudenken und selbst Antworten zu geben. Aus beruflicher Sicht gehörte zu den wichtigsten Auswirkungen, die das Projekt auf mich hatte, die Entdeckung des alten Buches als Studienobjekt sowie die Wahl eines Themas für die Masterarbeit. Mein persönliches Interesses galt schon vorher alten Notariatsakten. Die Tatsache, dass die Mediascher evangelische Kirchengemeinde eine Sammlung solcher Urkunden besitzt, veranlasste mich eine Arbeit über Mediascher Rechtsinstrumente zu schreiben.

Das Projekt hatte also einen prägenden Einfluss auf meine persönliche und berufliche Entwicklung, indem es das während des Studiums erworbene theoretische Wissen um die praktischen Erfahrungen während der Feldforschung ergänzte. Diese Erfahrung war einzigartig, eine Gelegenheit, bei der ich auf Menschen traf und mit ihnen interagierte, die sich für Geschichte und Kultur interessierten, eine Erfahrung, die mich dazu bewegt, in Zukunft positiv auf andere Gelegenheiten dieser Art zu reagieren.

Ghișa Ștefania:

Mit dem Archiv und der Bibliothek von Mediasch bin ich durch meine Teilnahme an der internationalen Konferenz „Näher am Schöpfer – Closer to the Creator Pfarrarchive und Bibliotheken der Vormoderne (ca. 1350–1650)“ (18.–21. Mai 2023) in Kontakt gekommen. Neben den Forschungsaktivitäten des Projekts hat diese Veranstaltung für mich eine besondere Bedeutung, da ich damals zum ersten Mal direkt mit den mittelalterlichen Schriftquellen vor Ort in Berührung kam. Die Erfahrung unterschied sich erheblich vom Umgang mit Dokumenten in digitalem Format und half mir zu verstehen, dass dies tatsächlich die wichtigste Methode ist, um mittelalterliches Textmaterial zu untersuchen.

Der Arbeitseinsatz in Mediasch unterschied sich jedoch von der Arbeit in anderen Archiven und Bibliotheken dadurch, dass die Quellen in einem räumlichen Kontext untersucht wurden, in dem sie gesammelt und verwendet wurden. Für mich persönlich gab es in dem Projekt viel zu lernen. Die Aktivitäten, an denen ich beteiligt war, halfen mir, die Komplexität der historischen Forschungsarbeit und das Potenzial des schriftlichen Erbes in Siebenbürgen besser zu verstehen. Unter der Anleitung von Professor Adinel C. Dincă erwarb ich praktische und theoretische Kenntnisse, die für die Verwaltung und das Verständnis von Manuskripten, gedruckten Büchern, Dokumenten, Fragmenten und Registern erforderlich sind. Wir lernten auch die Schritte kennen, die befolgt werden müssen (von der ersten Identifizierung des historischen Materials und seiner Dokumentation mittels der Fotografie bis hin zur detaillierten Analyse und Beschreibung). Dabei haben wir auch gelernt, auf welche Details man achten muss (z. B. auf das Vorhandensein von Fragmenten älteren Datums oder von handschriftlichen Randnotizen).

Persönlich finde ich es besonders bemerkenswert, dass diese Sammlung, aufgrund der Vielfalt der erhaltenen Quellen, einen Überblick über Schriftkultur einer Gemeinde in der Vormoderne ermöglicht. Nicht zuletzt habe ich es genossen, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die die gleiche Leidenschaft für die Vergangenheit der Siebenbürger Sachsen teilen. Abschließend kann ich sagen, dass die Teilnahme an diesem Projekt eine wertvolle berufliche und persönliche Erfahrung war, die mein Studium auf angenehme Weise ergänzt hat.

Die 13 Wissenschaftlern aus neun Ländern, die vom 18.–21. Mai 2023 an der internationalen Fachtagung „Näher am Schöpfer – Closer to the Creator Pfarrarchive und Bibliotheken der Vormoderne (ca. 1350–1650)“ teilnahmen, konnten sich einen Eindruck von der jahrhundertalten Bibliothek direkt am Ort ihrer Entstehung machen. Es klingt schlicht, kommt aber von Herzen – das große Dankeschön an alle an diesem Projekt beteiligten!

Auch die HG Mediasch wollte an dieser Stelle aktiv dabei sein: Ein Team aus Johannes Hager, Ulrike Conrad von Heydendorff-Wolfrum, Peter Wolfrum, Edith Göckeler, Gertrud Servatius-Hager (v. l.) und – hier nicht mit im Bild – Ingrid Fillinger machte sich auf, auch den Büchern, die nach dem Jahre 1600 erschienen sind, gebührende Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Gertrud Servatius-Hager und ihr Mann Johannes (hier mir Pfarrer Gerhard Servatius-Depner) erforschen die Geschichte der Mediascher Gymnasial- und Pfarrbibliothek anhand der zahlreich vorhandenen Bücherkataloge. Zug um Zug kommt eine neu-alte Ordnung in die Bestände zurück, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts manchen Irrweg zurücklegen mussten.

Ein Sammelband mit mehreren Werken des jüdisch-hellenistischen Historikers des ersten Jahrhunderts n. Chr. Flavius Josephus, 1556 von Samuel Emmel herausgegeben. Auf dem Vorsatzblatt befinden sich mehrere handschriftliche Besitzvermerke, die etwas über die Geschichte dieses Buches erzählen. 1641 etwa befand es sich im Besitz von Stephanus Adami, damals Pfarrer in Deutsch-Kreuz, der dann von 1658 bis 1666 Stadtpfarrer in Mediasch und 1666-1679 Bischof war. 1695 gehört es Stephan Adami in Kleinschelken, vermutlich dessen Sohn.

Ein Werk des deutschen evangelischen Theologen des 16. Jahrhunderts Matthäus Vogel, im Jahre 1592 in Tübingen von Georg Gruppenbach verlegt, nutzte lange Jahre später einem Freund der Botanik dazu, ein Exemplar des Schottenklees (Lothus corniculatus) zu pressen, wie ein zweisprachiger Zettel uns lehrt. Den Weg in ein Aquarium hat die Pflanze nicht mehr gefunden.

Eine auf Pergament verfasste Originalurkunde vom 27. Dezember 1460, mit der die römischen Kardinäle Isidorus, Guillermus u.a. der Allerheiligenkirche in Wölz einen Ablass gewähren.

Auch wenn diese Notenhandschrift nur als Fragment erhalten ist, so sind die 77 Pergamentbögen von 57×40 cm Größe doch ein wertvolles Andenken an die katholische Liturgie, die vor der Reformation auch in der Margarethenkirche zelebriert wurde. Die wertvolle Sequenz mit Teilen mit Teilen des Propriums, also den je nach Kirchenjahr bzw. Anlass wechselnden Elementen der Liturgie, ist vermutlich im 15. bis 16. Jahrhundert in Siebenbürgen entstanden.

Papier oder gar Pergament war in früheren Zeiten selten und dementsprechend kostbar. So wurden Fragmente nicht mehr benötigter Drucke und auch Teile der hier beschriebenen Musikhandschrift von Buchbindern verarbeitet, wenn es z. B. darum ging, die Akten des Magistrats zusammenzufassen. Manches wertvolle Stück hat es so bis in unsere Zeit geschafft.