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Der Mediascher „Wilhelm Tell“ – von Reinhold Kraus

Der Mediascher Wilhelm Tell heißt Günter Knall. Mit dem Schweizer Freiheitskämpfer verbindet ihn die Kunst des Bogenschießens. Allerdings muss Günter mit seinem Pfeil nicht einen Apfel treffen, sondern auf runde, gelb, rot, blaue Zielscheiben schießen, die zwischen 18 und 90 Meter entfernet sind. Begonnen hat er mit dem Bogenschießen 2013 im Alter von 54 Jahren und schaffte es schon nach vier Jahren 2017 in der Kategorie „Junge Senioren“ und nach 12 Jahren, 2025, in der Kategorie „Senioren“ Deutscher Meister zu werden.
Beim Schreiben dieses Berichtes habe ich mich an meine Kindheit erinnert, als wir selber einen Ast spannten und eine Bogensehne – „Spagat“ (Leinenschnur) oder Nylonfaden – daran befestigten und viel Spaß daran hatten. Ich hoffe, dass dieser Bericht bei Euch auch ähnliche Erinnerungen hervorruft sowie Begeisterung beim Einblick in diese faszinierende Sportart.
Der gebürtige Mediascher hielt den Bogen zum ersten Mal bei einem Messestand in der Hand und verliebte sich fortan in diese Sportart. Das Vergnügen, welches er verspürte, wenn der Pfeil im richtigen Feld der Zielscheibe landete, wollte er immer und immer wieder erleben. Das Bogenschießen ließ ihn nicht mehr los. Er trat also 2013 in den Wissener Schützenverein e.V. 1870 ein, 12 Kilometer entfernt von seinem Wohnort Marsbach in Rheinland-Pfalz, wo er mit seiner Familie seit 1992 wohnt. Hier lernte er mit Pfeil und Bogen umzugehen und eignete er sich das Wissen an, das ein Bogensportler beherrschen muss, zum Beispiel die Wahl des geeigneten Bogens und die Technik des Bogenschießens.

Günters erster Schuss auf einer Messe 2013.

Langbogen ohne Visier und Stabilisatoren.
Menschen nutzen Pfeil und Bogen bereits seit über 60 000 Jahren, wie der älteste Fund in der Sibuda-Höhle in Südafrika belegt. Seit über 10.000 Jahren ist das Bogenschießen eine wichtige militärische und jagdliche Fähigkeit und spielt in der Mythologie vieler eine herausragende Rolle. Bogenschützen, ob zu Fuß, in Streitwagen oder auf Pferden, waren in verschiedenen Kulturen bis ins Spätmittelalter ein Hauptbestandteil der meisten Streitkräfte. In der frühen Neuzeit wurde das Bogenschießen allmählich durch den Schusswaffengebrauch ergänzt und schließlich ersetzt.
Heute ist Bogenschießen als Freizeitbeschäftigung auf der Welt weit verbreitet. Bereits im 18. Jahrhundert wurde es in England als Freizeitsport betrieben, ab dem 19. Jahrhundert entwickelte es sich in den USA zu einer modernen Sportart, die dort auch „Indianergolf“ genannt wurde. Der Mediascher Wilhelm Folberth, der Erfinder des Scheibenwischers, machte sich in der USA im Bogenschießen einen Namen, da er einen Bogen mit ausgezeichneter Zielvorrichtung baute. Bogenschießen war zwischen von 1900 bis 1920 olympische Disziplin, danach folgte eine Pause von 52 Jahren. Seit den Olympischen Spielen in München 1972 können sich die Bogenschützen wieder an den Olympischen Spielen beteiligen.
Doch zurück zu Günter Knall. Aus der Freizeitbeschäftigung wurde bald ein ernst betriebener Sport. Er entschied sich für den „Blankbogen“ (englisch: Barebow Recurve BB-R), ein Bogen ohne Visier und Stabilisatoren, mit dem auf kürzere Distanzen (in der Regel 18 m) geschossen wird. Einen Freizeitbogen kann man schon für ca. 150 € erwerben, ein professioneller Bogen kann bis 4000 € kosten. Zweimal in der Woche trainiert Günter um erfolgreich an offiziellen Turnieren und Meisterschaften teilzunehmen. Es gibt in Deutschland (ähnlich wie beim Boxen) drei Verbände, die diese ausrichten: den Deutschen Behindertensportverband, den Deutschen Schützen Bund (BSB) und den Deutschen Feldbogen Sportverband (DFBV). Den beiden letztgenannten Verbänden gehört Günter Knall als Mitglied an und kann somit an deren Wettbewerben teilnehmen.

Deutscher Meister DFBV – Verband 2017.

Weltmeisterschaft in Cheile Grădiştei (Bran) 2017.

Weltmeisterschaft in Rumänien 2017.
In Turnieren und Wettbewerben werden die Bogenschützen in unterschiedlichen Altersgruppen, Bogentypen und Stilarten eingeteilt. Bereits 2015 nahm er an der Deutschen Meisterschaft des Deutschen Feldbogen Sportverbands (DFBV) teil und holte Silber- bzw. Bronze-Medaillen nach Hause. Beim gleichen Verband (DVBV) wurde er 2017 in Aschaffenburg Deutscher Meister in der Kategorie Blankbogen „Junge Senioren“. Um an der Deutschen Meisterschaft teilzunehmen, musste er sich über die Landesmeisterschaften beim Rheinischen Schützenbund (RSB) und beim Deutschen Schützen Bund (DSB) in der Halle oder auf dem Platz (unter freiem Himmel) qualifizieren. Das gelang Günter nicht immer. Doch er blieb hartnäckig, trainierte die Abläufe immer wieder: Stand nehmen, Pfeil einlegen, Augen zum Ziel, Entfernung schätzen und abgreifen, drei Finger am Abgreifpunkt der Sehne, Bogen hoch nehmen und zum Ziel gerade ausrichten, vordere Schulter gerade zum Ziel ausrichten und den Bogenarm strecken und „einrasten“, die Sehne mit Pfeil langsam mit der Zughand zum Anker ziehen und ankern, Spannung der Rückenmuskulatur bis zum endgültigen Auszug, blitzartiges Lösen der Finger beim Erreichen der maximalen Spannung blitzartig , den Bogenarm dabei stabil halten, dem Pfeilflug regungslos folgen. Wichtig ist die Präzision der Wiederholbarkeit, einen gleichbleibenden Schussablauf zu erlangen und im Moment des Schusses den Bogen vollkommen ruhig zu halten. Verschmelzung mit dem Bogen und dem Ziel, dann die Freude erleben, wenn der Pfeil im Idealfall ins „Gold“ in der Mitte der Zielscheibe trifft.
2017 nahm Günter bei der Weltmeisterschaft in dem beschaulichen Cheile-Grădiştei-Resort in der Nähe von Törzburg (Bran) in Rumänien teil. Organisiert wurde diese vom Rumänischen Verband (FRATF) in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Fitnessakademie (IFAA). Hier erreichte er im Einzel den vierten Platz und mit der Mannschaft seines Vereins Wissen den dritten Platz. Am ersten Tag wurden 60 Pfeile auf 18,30 m Distanz geschossen und am zweiten Tag jeweils vier Pfeile auf eine Distanz zwischen 6 – 27 m, in steigender und absteigender Meterzahl. 2018 folgte die Europameisterschaft in Budapest, wo er leider wegen gesundheitlicher Beschwerden aufgeben musste.
Günter hat nie aufgehört, seine Fertigkeiten im Bogenschießen zu verbessern, die Entfernungen und die Größe des Zielobjekts abzuschätzen, die Flugbahn des Pfeils zu studieren. Letztendlich verlässt der Pfeil den Bogen mit ca. 110 km/Stunde und kann bis 200 km/Stunden schnell sein. Während des Flugs hat er eine Durchbiegung und dreht er sich um die eigene Achse. Er fliegt nicht gerade zum Ziel hin sondern in einer gekrümmten Flugbahn. Je länger die Distanz, desto gekrümmter die Flugbahn. Deshalb ist die Auswahl des Pfeils wichtig. Das geeignete Material, ob aus Holz, Aluminium, Carbon oder Fiberglas, die Pfeillänge, das Gewicht, die Pfeilspitze, die Schaftform, die Biegefestigkeit, die Befiederung, natürliche oder Kunststofffeder, alles spielt eine Rolle.
2025 qualifizierte sich Günter über die Bezirks- und Landesmeisterschaft des Rheinischen Schützenbundes mit den nötigen Ringzahlen für die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft des DSB, welcher am 8. März 2025 in Biberach an der Riß stattfand. In der Klasse Blankbogen Senioren erwischte Günter Knall mit 484 Ringen einen sehr guten Tag und belegte mit diesem Ergebnis den ersten Platz. Somit darf er sich Deutscher Meister in dieser Klasse nennen. Um den Sieger zu ermitteln, gibt es zwei Durchgänge, dabei werden insgesamt 60 Pfeile abgeschossen, pro Durchgang jeweils 10-mal drei Pfeile. 60-mal mentale Stärke, fokussieren, konzentrieren, Atem kontrollieren, Ruhe bewahren, Umfeld ausblenden. Respekt! Die Erfolgsgeschichte setzte sich fort. Am 29. -30. März 2025 fand in der Sporthalle Spachbrücken (Hessen) die deutsche Meisterschaft des DFBV statt. Dabei hat er in der Klasse Blankbogen Senioren den dritten Rang erreicht.

Klaus Frühling und Günter Knall: Welt- und Europameister.

Regionalmeister West DFBV 2025.

Deutscher Meister DSB 2025.
Eine weitere Disziplin ist das 3D-Bogenschießen. Bei den 3D-Zielscheiben handelt es sich um Tiernachbildungen. Die 3D-Tiere sind in Form und Größe einem Eichhörnchen, einem Reh, einem Büffel, einem Bär, gar einem Krokodil oder einem anderen Tier nachempfunden. Diese Art von Bogenschießen wird oft als Freizeitspaß angeboten. Die Schützen bewegen sich auf einen Rundparcours in der Natur, der fünf bis 12 Kilometer lang ist und 12-24 Ziele haben kann, was das Erlebnis dynamisch und herausfordernd macht. Kleine Tiere, z. B. Erdmännchen, sind auf 5 m Entfernung aufgestellt, große Tiere wie z. B. Elche auf 80-90 m. Auch in dieser Disziplin gibt es Deutsche Meisterschaften. An 3D-Turnieren hat Günter zum Beispiel am Basalt-Turnier des Altenkirchner Bogenklubs oder am Robin-Hood-Turnier des Siegburger Schützenvereins teilgenommen. 2024 belegte er bei der Landesmeisterschaft des DSB in Krefeld den sechsten Platz.

3D-Disziplin: Zielen aus großer Entfernung auf Tierattrappen.

Im Laufe der Jahre sammelte Günter auf diese Art viele Medaillen und Titel. Für sein erfolgreiches Jahr 2025 erhielt Günter sogar die Auszeichnung „Sportler des Jahres“ im Bogenschießen. Um die Kunst des Bogenschießens weiterzugeben, engagiert sich Günter in seinem Verein und stellt sein Wissen und Erfahrung den neu Hinzugekommen gerne zur Verfügung. Er sagt: „Bogenschießen ist ein Sport, der sich für alle Altersklassen eignet, bei dem man keine große Kondition braucht, dafür ein gesunden Muskelaufbau, Konzentration und Ausgeglichenheit.“ Ich hoffe, dass dieser Bericht die Leser animiert, das Bogenschießen selbst auszuprobieren.
Für seine großartigen Leistungen gratulieren wir Günter Knall herzlichst und sind stolz auf unseren Mediascher „Wilhelm Tell.“
