Mediascher Wochenblatt & Zeitung

Online-Archiv der ältesten Mediascher Zeitungen

Die Heimatgemeinschaft Mediasch freut sich, dass wir mit dem heutigen Tag das Archiv der ältesten Mediascher Zeitungen – Mediascher Wochenblatt und Mediascher Zeitung – allen interessierten Lesern online zugänglich machen können. Damit ist ein Projekt abgeschlossen, das im Kulturreferat der HGM vor vielen Jahren in Angriff genommen wurde.

Eine Besonderheit in unserem Vorhaben liegt in dem Umstand begründet, dass es keine Bibliothek in Siebenbürgen oder auch anderswo auf der Welt gibt, in der die Zeitungen, die erstmals, jedoch nur für kurze Zeit im Jahre 1880 und dann von 1893 bis 1944 regelmäßig als Wochenzeitung erschienen, vollständig aufliegen. Selbst im Archiv der Kirchengemeinde Mediasch, das einen Teil der Bestände des Museums „Alt Mediasch“ verwahrt, gibt es keine vollständige Sammlung. Größere, jedoch auch lückenhafte Bestände haben in Siebenbürgen die Brukenthal-Bibliothek in Hermannstadt und die Universitätsbibliothek in Klausenburg. In Deutschland gibt es lediglich eine umfangreiche Sammlung aus den Jahren 1919-1942 im Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart. Dieselbe Bibliothek beherbergt als weltweit einziger Standort auch die 24 Nummern des glücklosen Vorläufers aus dem Jahre 1880.

Im Rahmen der Aktivitäten der HGM zur Wahrung des kulturellen und historischen Erbes der Gemeinschaft der Mediascher Sachen ist es gelungen, die kompletten Jahrgänge der alten Mediascher Zeitungen zu digitalisieren und damit – soweit und bekannt ist – die einzige vollständige Sammlung in pdf-Format zu erstellen, die hiermit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die Digitalisierung wurde größtenteils von Diana und Cătălin Mureşan und von Daniel Ţichindelean durchgeführt, Hans Christian Hedrich erstellte die pdf-Dateien und Werner Schmitz besorgte den Onlineauftritt. Das Projekt wurde koordiniert von Hansotto Drotloff.

Archiv 1880: erster Anlauf für eine Zeitung in Mediasch


Zu den Archivseiten der Jahrgänge von 1893 bis 1944

Kurze Geschichte der ältesten Mediascher Zeitungen

Die älteste siebenbürgische Zeitung war der Siebenbürger Bote, der ab 1792 in Hermannstadt erschien, viel später kam die Kronstädter Zeitung dazu (1849) und schließlich ab 1874 das Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt. Die kleineren sächsischen Städte verfügten lange Zeit nicht über eine eigene Zeitung. In Mediasch erschien das „Mediascher Wochenblatt“ bei dem Verlag und der Buchdruckerei G. A. Reissenberger. Den ersten Anlauf zu einer Zeitung für Mediasch nahm Reissenberger schon im Jahre 1880, so dass dies formal das erste Erscheinungsjahr des Mediascher Wochenblatts war. Allerdings hatte die Zeitung offenbar nicht den gewünschten Erfolg, denn sie stellte ihr Erscheinen bereits nach einem halben Jahr ein. Im Jahre 1893 wagte Reissenberger einen Neuanfang und diesmal hatte er Erfolg. Ab dem 6. Mai 1893 erschien in Mediasch regelmäßig, jeweils samstags, eine Wochenzeitung bis zum 19. August 1944, ab 1919 unter dem Titel Mediascher Zeitung. Im September und Oktober 1916 unterbrach die Zeitung ihr Erscheinen wegen der Flucht des Druckereipersonals während der Offensive des rumänischen Heeres in Siebenbürgen. Im Sommer des Jahres 1938 konnte die Mediascher Zeitung auf Grund einer Änderung des Pressegesetzes für kurze Zeit nur im zweiwöchentlichen Rhythmus erscheinen. Man behalf sich kurzerhand durch die Gründung einer weiteren Zeitung mit den Namen Weinland unter der Redaktion des Rechtsanwalts Dr. Hans Zikeli, die abwechselnd mit der Mediascher Zeitung alle zwei Wochen erschien, sich aber sonst in nichts von dieser Unterschied. In der Zeit von Juli bis September 1938 erschienen insgesamt 6 Nummern des Weinlands. Eine weitere kurze Unterbrechung erlebte die Zeitung in der politisch sehr unruhigen Zeit von Juni bis August 1944.

G. A. Reissenberger (1844-1915) stammte aus einer Landlerfamilie und wurde in Hermannstadt geboren, wo er eine Lehre als Buchdrucker absolvierte. Nach einer Gesellenwanderung durch Österreich und Deutschland ließ er sich 1871 in Mediasch nieder und gründete hier eine Buchdruckerei, später auch eine Buchhandlung und eine Buchbinderei. Er betätigte sich auch als Verleger und gab außer dem „Mediascher Wochenblatt“ verschiedene literarische und heimatkundliche Bücher und Broschüren heraus. G.A. Reissenberger war ein sehr rühriger Mann und wirkte nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im sozialen Bereich. So war er lange Zeit Vorsitzender des Gewerbevereins und der Handelskammer, regte die Gründung einer Handelsschule an und setzte sich für die Renovierung des Armenhauses und des evangelischen Friedhofes ein. Er zählte zu den angesehensten Personen der Stadt.

Die Familie des Herausgebers des Mediascher Wochenblatts, Gustav Albert Reissenberger (2. V. r), Auguste Reissenberger geb. Schuster, die Tochter Georgette Reissenberger, die Söhne Gustav Albert jun. und Otto Hermann. (© Archiv Konrad Klein, Gauting)

Die Buchhandlung G. A. Reissenberger befand sich am Großen Marktplatz neben dem Schulerhaus. (© Archiv HGM)

Historische Aufnahmen aus der zeitgenössischen Presse: Neben dem Portrait des greisen G. A. Reissenberger ein Blick auf das Schaufenster seiner Buchhandlung und auf das Betriebsgebäude der Druckerei in der Gräfengasse (heute Petöfi Sándor). (© Archiv HGM)

Nach dem Tod von G. A. Reissenberger blieben die Buchdruckerei und der Verlag im Besitz der Familie und setzten ihre Tätigkeit unter dem Namen G. A. Reissenberger weiter fort. 1931 stellte diese Druckerei ihre Tätigkeit ein und die Herausgabe der Zeitung wurde von der Druckerei Karl Feder übernommen.

Karl Feder (1890-1957) wurde in Schäßburg geboren. Er stammte aus einer Handwerkerfamilie, sein Vater war Wagner. Seine Buchdruckerlehre machte er in Schäßburg in der Druckerei Markus. Nach seinen Wanderjahren in Österreich, in Deutschland und in der Schweiz ließ er sich in Mediasch nieder und arbeitete zuerst in der Druckerei Reissenberger. Nach dem Ersten Weltkrieg machte er sich selbständig, gründete eine eigene Druckerei und gewann den Wettbewerb mit der Druckerei Reissenberger. Er blieb der Herausgeber der Mediascher Zeitung bis 1944.

Im Laufe der 52 Jahre ihres Erscheinens hatte die Zeitung 12 Redakteure, allesamt angesehene Persönlichkeiten der Stadt, oft Professoren des Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasiums:

  1. Franz Ehrlich (Mai 1893 – Oktober 1893)
  2. G. A. Reissenberger (Oktober 1893 – Mai 1898 sowie Januar 1904 – Dezember 1906)
  3. Franz Biehl (Juni 1898 – Dezember 1901)
  4. Karl Hietsch (Januar 1902 – Dezember 1903)
  5. Gustav Schuster (Januar 1907 – März 1918)
  6. Otto Reissenberger (April 1918 – Dezember 1918)
  7. Erich Waldemar Lingner (Januar 1919 – Mai 1927)
  8. Dr. Hermann Jekeli (Juni 1927 – Dezember 1932)
  9. Dr. Heinrich Scheiner (Januar 1933 – März 1934)
  10. Julius Draser (März 1934 – Oktober 1936)
  11. Karl Feder (Oktober 1936 – Januar 1940)
  12. Dr. Hans Zikeli (Februar 1940 – August 1944)

Karl Feder (1890 – 1957) vor dem Setzkasten in seiner Druckerei

Familie Feder (Gerda, Karl Feder sen., Anna geb. Hienz, Karl jun.)

In der allgemeinen Ausrichtung der Mediascher Zeitung lassen sich zwei unterschiedliche Abschnitte unterscheiden, die auch durch zwei Benennungen Mediascher Wochenblatt (1893-1918) und Mediascher Zeitung (1919-1944) zum Ausdruck kommen. Während des ersten Abschnitts beschäftigte sich die Zeitung ausschließlich mit lokalen Fragen. In einem Artikel zum Jahresschluss 1893 wird die Frage gestellt: „War die Gründung der Zeitung notwendig?“ und die Antwort gegeben: „Bedenken wir, dass wir auch hier Stoff genug haben, welcher in der Öffentlichkeit besprochen werden muß, und nur gerade in den Spalten eines Lokalblattes besprochen werden kann, so werden wir wohl alle zugeben müssen, dass sie ihre Berechtigung hat.“

Das Jahr 1918 bedeutete eine wesentliche Änderung in der allgemeinen Ausrichtung der Zeitung, diese wurde ein politisches Organ. Die Zeitung erhält neben einem neuen Namen auch den Untertitel Für sächsisch-deutsche Volkspolitik. 1. Januar 1919 wird unter dem Titel „Was wir wollen“ folgendes Programm angekündigt: „Aufklärung und politische Erziehung der Volksmassen, die auch zur Teilnahme am politischen Leben gelangt sind. Aussprache über alle Fragen des öffentlichen Lebens als Vorbedingung für eine richtige Lösung der Gegenwartsfragen. Wir wollen uns nicht auf einen parteipolitischen Standpunkt festlegen“.

Anfang der 30er Jahre machten sich in der deutschen Minderheit in Rumänien nationalistische Elemente bemerkbar, die unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Bewegung aus Deutschland standen. Diese gründeten die sogenannte Erneuerungsbewegung. Ihr stand eine bürgerlich-demokratisch und vor allem kirchliche Opposition gegenüber. Der politische Kampf zwischen diesen zwei Gruppierungen dauerte mehrere Jahre, bis es den Nationalsozialisten mit Unterstützung aus Deutschland gelang sich durchzusetzen. Die Schriftleitung der Mediascher Zeitung nahm eine ablehnende Haltung gegen die Erneuerungsbewegung ein, welche die politische Einheit der deutschen Minderheit gespalten hatte. Bei der Übernahme der Redaktion im Jahre 1934 stellte Julius Draser die Haltung der Zeitung klar: „In unserem Volk ist ein innenpolitischer Kampf entbrannt. Dieses Schauspiel, das wir uns und anderen bieten, ist traurig und töricht zugleich! In diesem Kampf will die ‚Mediascher Zeitung‘ einen sachlichen Standpunkt einnehmen… Wir brauchen Frieden.“ Diese Ausrichtung wurde bis 1936, solange Julius Draser die Redaktion leitete, beibehalten. Nach seinem Rücktritt machte sich die Naziideologie immer mehr bemerkbar. Nach der Errichtung der militärisch-faschistischen Diktatur und der Gründung der Deutschen Volksgruppe in Rumänien wurde die gesamte deutschsprachige Presse dem Propagandaapparat dieser nationalsozialistischen Organisation unterstellt. Wegen dieser letztendlichen, unseligen Ausrichtung musste die Mediascher Zeitung ihr Erscheinen nach dem Umsturz am 23. August 1944 einstellen.

Kopf der Nr. 1 des Mediascher Wochenblatts vom 3. Januar 1880 (© Archiv HGM)

Kopf der Nr. 2 des Mediascher Wochenblatts vom 13. Mai 1893 (© Archiv HGM)

Kopf der Nr. 1 der Mediascher Zeitung für sächsisch-deutsche Volkspolitik vom 1. Januar 1919 (© Archiv HGM)

Kopf der Nr. 1 des Weinlands vom 9. Juli 1938 (© Archiv HGM)

Kopf der Nr. 34 der Mediascher Zeitung vom 19. August 1944 (© Archiv HGM)

Die obigen Ausführungen wurden in weiten Teilen übernommen aus: Ingmar Brandsch „Mediascher Wochenblatt“ und „Mediascher Zeitung“ (1893-1944), erschienen in Helmuth Julius Knall Beiträge zur Geschichte der Mediascher Presse, Mediasch 2003, S. 208-224, mit Ergänzungen durch eigene Recherchen von Hansotto Drotloff.

Brandsch-Mediascher-Wochenblatt-Mediascher-Zeitung-2003